„The Silent Night of the Batman“
Während Teil I der Batman-Weihnachtsgeschichte die Anfänge des Comichelden beleuchtet hat, folgt nun ein Blick auf die Entwicklungen seit den 1970er Jahren. Einen ungewöhnlichen narrativen und dramaturgischen Bogen spannt der kurze Comic The Silent Night of the Batman von 1970. Geschickt werden die dualen Darstellungskanäle von Bild und Text, sowie die Panelarchitektur der einzelnen Seiten eingesetzt, um eine im Superheldenuniversum ungewöhnliche Geschichte zu erzählen, denn der Held selber wird hier nur passiv tätig.
Ausgangspunkt ist der Weihnachtsabend in Gotham City. Das erste Panel realisiert einen spannungsreichen Aufriss, der in einer Froschperspektive fröhliche Menschen in den Straßen Gothams zeigt, während Batman von einem Hochhaus einsam über seine Stadt wacht: „A peaceful, almost heavenly scene – Would injustice and tragedy dare creep in?“ (Friedrich/Adams/Giordano (1970), o.P.). Das folgende Panel zeigt das Batsignal, das an den Himmel über Gotham geworfen wird, neben einer Reihe funkelnder Sterne: „Then, as the eerie Batsignal shimmers against a snow-filled cloud, the atmosphere takes on a celestial composition. For two thousand years mystics have experienced the many mysteries surrounding christmas…“ (Friedrich/Adams/Giordano (1970), o.P.). Das dritte Panel beschließt die Seite mit einem erneuten Blick auf Batman, der sich von einem Hochhaus zum anderen schwingt, während der Blocktext verspricht: „Tonight there will be one more…“ (Friedrich/Adams/Giordano (1970), o.P.).
Im nächsten Panel stellt sich heraus, dass es gar keinen Notfall gab, sondern Commissioner Gordon Batman zur weihnachtlichen Feier mit den Polizeikollegen einlädt. Skeptisch entscheidet sich Batman dafür und stimmt nach kurzem Zögern in die fröhlichen Lieder ein. „…Dashing through the snow…“ (Friedrich/Adams/Giordano (1970), o.P.) spannt sich als großes Textfragment einleitend über die folgende Seite. Das erste Panel zeigt dabei Batman singend im Polizeichor. Dieses Panel wird auf der Bildebene jedoch geteilt und eröffnet eine zusätzliche Parallelhandlung, die mittels des Liedfragments beide Szenen miteinander verbindet: ein Junge, der eine Frau auf der Straße bestiehlt und durch den Schnee davon rennt. Die folgenden Panels erzählen ohne weiteren Text, wie der Junge die Beute öffnet und mit seinen Freunden bestaunt, es ist eine Batman Actionfigur. Entsetzt und vom schlechten Gewissen geplagt packen sie das Geschenk bedächtig wieder ein und bringen es der Frau zurück.
Zwei weitere Kurzepisoden verknüpfen nach ähnlichem Muster weihnachtliche Liedfragmente mit Ereignissen auf den Straßen Gothams und nutzen die medialen Möglichkeiten des Comics für eine geschickte narrative Verschränkung von Bild- und Textebene, die die Perspektiven auf zwei gleichzeitige Handlungsstränge eröffnen. Der fröhlich singende und gelöste Batman wird in diesen Parallelmontagen mit den Geschehnissen in der Stadt verknüpft, jedoch ohne sein sonst übliches aktives Eingreifen darzustellen. An diesem Abend scheinen sich die Konflikte von selbst, respektive allein durch die befürchtete Anwesenheit Batmans aufzulösen. Für die jugendlichen Diebe reicht der Anblick der Batman Actionfigur aus, um sie reumütig Wiedergutmachung leisten zu lassen.
Nach einigen Stunden stellt Batman entsetzt fest: „Good heavens! It´s six o clock! We´ve been singing here all night! We haven´t been disturbed by one report of robbery, murder, drug peddling…anything! It´s like the spirit of christmas peace took hold on everyone…!“ (Friedrich/Adams/Giordano (1970), o.P.). Die Beteuerungen von Commissioner Gorden, „It appears the investment you´ve put into this city has paid off tonight – giving you a night off!“ (Friedrich/Adams/Giordano (1970), o.P.), tut Batman skeptisch ab – „Investment…spirit of Batman….spirit of christmas…hmmm…“ (Friedrich/Adams/Giordano (1970), o.P.) – und setzt seine Wacht über Gotham fort, womit der Comic beschließt.
Diese kurze Episode zeigt Batman auf vielschichtige Art und Weise: als einsamen Wächter über die Stadt, in der seine bloße gefürchtet Anwesenheit offensichtlich für mehr Sicherheit sorgt, als die der Polizei. Gleichzeitig sehnt sich aber auch dieser robuste Held nach Gesellschaft. An Weihnachten darf er hier einen fröhlichen Abend verbringen, an dem er genussvoll Lieder singt, darüber gar die Zeit und seine Pflichten vergisst und eine sanftere Facette offenlegt.
„Christmas or no, crime goes on!“
Die Kurzgeschichte Wanted: Santa Claus – Dead or Alive! erschien 1980 im SUPER-STAR HOLIDAY SPECIAL. Federführender Zeichner war Frank Miller, der im selben Jahrzehnt die Neuausrichtung und ambivalente Brechung der Heldenfigur Batman in seinen wegweisenden Bänden The Dark Knight Returns (1986) und Batman Year One (1987) einleitete. Der weihnachtliche Vorgänger deutet die düstere Schattierung Gothams und Batmans zwar schon an, aber die Verbrecher der Stadt feiern trotzdem munter Weihnachten: „Tourists seldom come here, to Gotham´s decaying lower east side – the area known as crime alley! Yet even in this grim neighborhood, there can be laughter an song … – God rest ye merry gentlemen let nothing you dismay“ (O´Neil/Miller/Mitchell (2000), 8). Christbaum, weihnachtliche Girlanden und leichtbekleidete Damen im roten Santa-Outfit mit Bommelmütze hellen selbst die finsterste Ganovenkaschemme auf, in der sich auch die Verbrecher Gothams auf die Festtage einstimmen.
Aber frei nach obigen Zitat kennt das Verbrechen keine Ferien und einer der Ganoven arbeitet verkleidet als Weihnachtsmann, um sich im Kaufhaus einschleusen zu können und dieses nach Ladenschluss auszurauben. Allerdings ist er rasch geläutert und gerührt von den positiven Erfahrungen – „Aw…I dunno! Everybody was so nice an’ the kids made me feel so good an’ all … I just can’t go back to bein’ what I was!“ (O´Neil/Miller/Mitchell (2000), 10) – und weigert sich, seine Kollegen einzulassen. Als diese ihn kurzerhand entführen, um doch an das Geld zu kommen schaltet sich Batman ein. In einer Kampfszene darf dieser dann zunächst sein durchaus komisches Potential zeigen, wenn er sich einer Reihe seiner Gegner mittels elegantem Wurfs des Christbaums entledigt: „With an absolutely fluid grace, the Batman continues his circular motion – throws – and scores!“ (O´Neil/Miller/Mitchell (2000), 12f.). Die Geschichte changiert beständig zwischen heiterer Ironie und ernsten Aspekten, die das ambivalente Potential der Figur ausschöpfen.
Die lose Rahmung der Geschichte wird über ein lebensgroßes Krippenspiel konstruiert, das für den twist der Geschichte ein zentrales narratives (Weihnachts-)Element ist. Im ersten Panel stellt Batman zwar fest, dass jemand den dazugehörigen Stern gestohlen hat: „Christmas or no, crime goes on! Somebody even stole the star from that nativity scene!“ (O´Neil/Miller/Mitchell (2000), 5) – wendet sich aber zunächst noch anderen Aufgaben zu. Als sich die Entführer mit dem Weihnachtsmann in eben jenem Krippenspiel verstecken, laufen alle Fäden dort wieder zusammen. Ein plötzliches Leuchten weist Batman den Weg dorthin und löst die Geschichte auf: „The star … the missing star! It´s back – and it’s rays are pointing – here.“ (O´Neil/Miller/Mitchell (2000), 14). Um den Verweis noch deutlicher zu machen, beschließt das letzte Panel mit einem Auszug aus dem Lukas Evangelium und rundet das weihnachtliche Verweisspiel auf intertextueller und ikonographischer Ebene ab: „To give light to them that sit in darkness and in the shadow of death to guide our feet into the way of peace (– Luke 1:78)“ (O´Neil/Miller/Mitchell (2000), 14).
Aus dem selben Jahrzehnt stammt auch „And in the depths“ von Dave Gibbons und Gray Morrow (1989), die in ihrer Kurzgeschichte eine sehr viel bedrückendere und düstere Entwicklungsgeschichte von Batman mit weihnachtlichen Bezügen erzählen. Geschickt verschmelzen dabei Vergangenheitsbilder von Bruce Wayne, der als Kind von Fledermäusen in einer Höhle attackiert wurde, mit der Gegenwart, in der der mittlerweile erwachsene Bruce in Dick Grayson einen Ziehsohn findet und der Zukunft, in der der erwachsene Robin (bezeichnenderweise der englische Name des Rotkelchens) flügge wird, und Batman in seiner düsteren Welt einsam zurück lässt. Zentrale Referenz sind hier die drei Geistern aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, die sich zwar nicht materialisieren, aber in Waynes Gedanken manifest werden. Bild- und Textkanal verbinden sich dabei geschickt und die verschiedenen Zeitebenen überlagern sich und erzeugen ein dichtes Geflecht von Erinnerungen, Wünschen und Hoffnungen, die für den gebrochenen Helden Batman nicht erfüllt werden.
Das Cover dieses Weihnachtshefts unterstreicht Batmans Status als düsterer und einsamer Held: die DC Superhelden gruppieren sich in weihnachtlicher Stimmung um zwei Tische, verpacken Geschenke, schwätzen mit Weihnachtselfen oder trinken Punsch. Nur Batman wendet als einziger dem Betrachter den Rücken zu und sein schwarzes Outfit wird durch die restlichen farbenfrohen Erscheinungen der anderen Helden und Wichtel zusätzlich betont und macht seine Sonderstellung im Superheldengefüge explizit sichtbar.
Der dritte und letzte Teil nimmt abschließend noch gegenwärtige Weihnachtsfortschreibung seit den 1990er Jahren in den Blick.