Bat-X-Mas III

„A Slaying Song Tonight“

In einer ähnlichen Tradition, die in den letzten beiden Beiträgen schon nachgezeichnet wurde, aber gänzlich anderen Ästhetik erscheint die Kurzgeschichte A Slaying Song Tonight (1996) von Dennis O´Neil und Teddy H. Kristiansen, die in reduzierten und prägnanten schwarz-weiß Strichen erzählt. Batmans Existenz wird hier zunächst von den Bewohnern Gothams selber zum urbanen Mythos erklärt: „Batman is what we call an urban myth. Like alligators in the sewers“ (O´Neil/Kristiansen (2007), 163).

Analog dazu agiert Batman dann auch unsichtbar im Hintergrund. Er überführt einen Einbrecher, der als Santa verkleidet am Weihnachtsabend eine Familie ausrauben will und schlüpft kurzerhand selber in das Kostüm, damit die Familie keinen Verdacht schöpft. Der vereinsamte und gepeinigte Batman, denn sein Partner Robin steht ihm hier nicht mehr zur Seite, darf an Weihnachten einen Abend der Erlösung finden. Wenn die Tochter Ginny beim Anblick des Weihnachtsmannes freudig ausruft: „This is my best christmas ever!“ Stimmt der verkleidete Batman ein: „Mine too, Ginny. Or at least the best in a long, long time.“ (O´Neil/Kristiansen (2007), 168).

Im selben Jahr erscheint in der Forsetzungsserie Batman. The Long Halloween von Jeph Loeb und Tim Sale eine andere Weihnachtsepisode. Der Joker tritt hier als perfider „Holiday-Killer“ auf und terrorisiert die Bewohner Gothams an verschiedenen Festtagen und zerstört bewusst die besinnliche Stimmung. Entsprechend des Anlasses trägt der Joker dann nicht nur die obligatorische rote Weihnachtsmannmütze, sondern stimmt fröhlich ein Lied an: „Happy holidays…happy holidays. La-de-da-de-da…um…da-de-de-de-da…LIVING IN A WINTERWONDERLAND!“ (Loeb/Sale (2011), o.P.).

Seine Opfer fesselt er mit Lichterketten und hinterlässt als Warnung nicht mehr nur seine Spielkarte, sondern auch eine Schneekugel mit weihnachtlichem Setting. Die idyllische Weihnachtsstimmung wird bewusst gebrochen und erzeugt ein düsteres Gotham City, das weit von einem winterwonderland entfernt ist. Batman ist in dieser Geschichte der grimmige Rächer, der sich auf die Jagd macht, um die Ordnung in seiner Stadt wieder herzustellen: „Have a Merry Christmas, Joker. It will be your last“ (Loeb/Sale (2011), o.P.).

„I mean Batman isn´t exactly christmassy […]“

In diese düstere Traditionslinie reiht sich auch der Comic Batman Noël von Lee Bermejo (2011) ein. Zentrale Referenz und Narrativ ist die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, deren Bezugnahme bereits in der Widmung deutlich markiert wird: „With respect, to Charles Dickens“ (Bermejo (2011), Vorsatzblatt). Batman wird hier zum einsamen und rücksichtslosen Scrooge, der immer drastischere Vorgehensweise gegen das Verbrechen in Gotham durchsetzt und auf dem ambivalenten Grad von Legalität und Selbstjustiz schwankt und abzudriften droht. Sein treuer Butler Alfred macht ihn zwar darauf aufmerksam, dass sich seine Methoden nur wenig von denen seiner Gegner unterscheiden, Batman zeigt sich jedoch uneinsichtig: „In this war, Alfred, there are risks you must be willing to take“ (Bermejo (2011), o.P.).

Eine hartnäckige Erkältung und Bronchitis, die ihn zunehmend körperlich Schwächen versinnbildlichen Batmans inneres Chaos und Unruhe auch auf einer äußeren Ebene. Ganz in Anlehnung an die Vorlage von Dickens wird der kränkelnde Batman am Weihnachtsabend schließlich von drei Geistern heimgesucht, die mit anderen Figuren des DC Universums besetzt sind. Die meist komische Funktion einer Parodie steht dabei jedoch nicht im Vordergrund, viel mehr wird Batman über das Verweisspiel zur gebrochenen und kaputten Erscheinung in der Tradition des herzlosen Ebenezer Scrooge.[1]

Der weitere narrative Aufbau folgt dem Schema der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, denn zunächst tritt der Geist der Vergangenheit auf. Dieser wird zu Catwoman, die in Batman vergangene traumatische Erlebnisse weckt. Geschickt verschmelzen dabei auf der Bildebene die Vergangenheit und die Gegenwart, die Erinnerungen brechen immer wieder unkontrolliert in das Gespräch der beiden und legen die tiefen seelischen Narben und das Versagen Batmans in zerstückelten, gebrochenen oder gänzlich rahmenlosen Panels offen. Am Boden liegend erwartet ihn bereits der nächste Besucher: „The second was big. Larger than life…literally. He dressed colorfully, too. Kinda ridiculous, Scrooge thought“ (Bermejo (2011), o.P.). Engelsgleich schwebt der strahlenden Superman vom Himmel und nimmt sich des gebrochenen Batmans an. Vorsichtig trägt er ihn in einem Flug über Gotham und zeigt ihm die Geschehnisse der Gegenwart, für die er mit seinem Vorgehen verantwortlich zeichnet.

Als Geist der Zukunft tritt als finaler Besucher Batmans ärgster Widersacher der Joker auf und beschert ihm eine Vision, in der er lebendig begraben wird und Gotham fortan in eine anarchische Dystopie zerfällt. Geläutert von diesen Schreckensbildern besinnt sich Batman auf seine Ideale und kämpft sich zurück, um den tatsächlichen Joker zur Strecke zur bringen und den Frieden in Gotham wieder herzustellen.

Bermejo Weihnachtsgeschichte realisiert keine innovative erzählerische Wendung oder Brechung in Bezug auf den Prätext, sondern folgt dem Schema der Weihnachtsgeschichte in weiten Teilen unverändert, interpoliert allerdings einzelne Figuren des Superheldenuniversums. Batman darf hier seine dunklen Seiten pflegen und zeigt, dass er selber ein vitaler Teil der Probleme dieser Stadt ist, denn Ordnung und Chaos bedingen sich hier gegenseitig. Durch das Ausloten der medialen Möglichkeiten und Darstellungsformen des Comics, die sich insbesondere im virtuosen Zusammenspiel von Bild und Text manifestieren, wird Batman Noël so zur vielschichtigen Episode rund um Batman, die die spannenden Brechungen und Ambivalenzen exponiert.

Ho-Ho-Holy Christmas Batman! – Schlussbetrachtungen

Die Weihnachtsepisoden markieren im Superheldkosmos ein gesondertes Narrativ, das am Jahresende zum Experimentieren mit literarischen Zitaten und populärkulturellen Versatzstücken einlädt. So taucht etwa der prototypische Weihnachtsmann der Coca Cola Werbung auch auf Plakatwänden in Gotham City auf (vgl. Bermejo (2011), o.P.), die Dickens´sche Weihnachtsgeschichte wird immer wieder zitiert und parodistisch variiert und neben den klassischen Symbolen für Weihnachten, wie rotem Mantel, weißem Bart, Bommelmütze und Christbaum übernehmen insbesondere Zitate aus Weihnachtsliedern immer wieder zentrale Funktionen. Diese werden sowohl zur ironischen Brechung, als auch als eigenständiges Narrativ eingesetzt.

Ausschnittartig können hier abschließend nur einige wenige Schlaglichter auf einzelnen Episoden geworfen werden. Deutlich wird daran aber, dass das weihnachtliche Setting im Superheldenkosmos zu vielfältigen und vielseitigen Spielarten einlädt. Superman erhält etwa als strahlender Held in der Kurzgeschichte The Gift nach getaner Arbeit am Weihnachtsabend ein Geschenk: passend zu seinem Erscheinungsbild ein neuer glänzender Umhang. The Flash nützt seine Fähigkeiten als schnellster Mann der Welt an Weihnachten, um in letzter Minute alle Erledigungen zu treffen: „I´m the Flash. The fastest man alive…which is never an excuse to wait until twenty minutes before the christmas party to start decorating…but whaddaya gonna do?“ Es entspinnt sich in Present Tense eine recht alberne Geschichte, in der The Flash in aller letzter Sekunde versucht das perfekte Geschenk für seine Freundin aufzutreiben und dafür seine Fähigkeit der unendlichen Schnelligkeit einsetzt und in einer irrwitzigen Odyssee um die Welt reist.

Ebenfalls unter dem Titel Present Tense rückt eine gewitze doppelseitige Geschichte den Schurken Darkseid in den Fokus. Dieser verschanzt sich in seinem Versteck, jedoch kann der Weihnachtsmann in dennoch aufspüren –„But we each have our duties to perform, young fella…and I have to go about mine. Ohhh….Tch-Tch-Tch- definitely naughty. It´s a lump of coal for you again“ – hält ihm den Kohleklumpen unter die Nase und verschwindet wieder. So bieten die Episoden zu Weihnachten auch die Bühne für kurze und ungewöhnliche Geschichten um Nebenfiguren des Superheldenuniversums und unterstreichen das spannungsreiche narrative Potential dieses Motivs.

Die Figur Batman ist ein vielschichtiges Konstrukt, das im Laufe der letzten 80 Jahre vielfältige Ausformungen, Schattierungen und Wandlugen erfahren hat, im Kern jedoch gleich geblieben ist: der Mann im Cape, der auf Verbrecherjagd geht. Die allgemeinen Entwicklungstendenzen vom Goldenen, über das Silberne bis zum Bronzenen Zeitalter der Comicgeschichte werden auch in den Inszenierungen von Batman sichtbar. Diese bewegen sich beständig auf einem variablen Kontinuum zwischen dunklem Rächer und poppigen Comichelden und die Fort- und Überschreibung des Batman Mythos lassen sich ebenfalls in den Weihnachtsgeschichten nachzeichnen: Batman ist im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte trotz des weihnachtlichen Settings zunehmend als düstere und tragische Figur inszeniert, die ihn dabei von anderen Superhelden abgrenzt.

[1]     Der comicaffine Leser erkennt außerdem zahlreiche Anspielungen auf frühere Batmanabenteuer, die ein dichtes selbstrefentielles Netz um den Batmankosmos konstruieren. So beinhaltet etwa eine Vitrine im Hintergrund der Bathöhle die verschieden gestalteten Kampfanzüge aus den letzten 80 Jahre Batmangeschichte.

Literatur

Primärliteratur

Bermejo, Lee (2011): Batman Noël. New York: DC Comics.

Chabon, Michael (2002): Die Unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay. Köln: Kiepeneuer & Witsch.

Gibbons, Dave, Gray Morrow (1989): And in the depths. In: Christmas with the Super-Heroes #2. New York: DC Comics, o.P.

Friedrich, Mike, Neil Adams, Dick Giordano (1970): The Silent Night of the Batman. In: Batman #219. New York: DC Comics. Wiederabruck: Christmas with the Superheroes #1, New York: DC Comics, 1988, o.P.

Jurgens,Dan, Brett Breeding (2000): The Gift. In: DC Universe Christmas. New York: DC Comics, S. 36–38 [EA 1998].

Kane, Bob (1942): Christmas. In: Batman #9. New York: DC Comics. Erneuter Abdruck in: Batman: The Dark Knight Archives (DC, 1992 series) #3 (August 2000), o.P.

Kane, Bob (1943): The Loneliest Men in the World. In: Batman #15. New York: DC Comics. Erneuter Abdruck in: Batman: The Dark Knight Archives (DC, 1992 series) #4 (July 2003), o.P.

Kane, Bob (1974): Batman und Robin der Wunderboy: Wie Bruce Wayne BATMAN wurde. Batman 1. Superband. Stuttgart: Ehapa [amerik. EA 1940].

Loeb, Jeph, Tim Sale (2011): Batman. The Long Halloween. Chapter Three: Christmas. New York: DC Comics, o.P. [EA 1996].

O´Neil, Dennis, Teddy H. Kristiansen (2007): A Slaying Song Tonight. In: Batman Black and White. New York: DC Comics, S. 159–169. [EA 1996].

O´Neil, Denny, Frank Miller, Steve Mitchell (2000): Wanted: Santa Claus – Dead or Alive! In: DC Universe Christmas. New York: DC Comics, S. 5 – 14 [EA 1980].

Siegel, Jerry, Jack Burnley (2000): Superman´s Christmas Adventure. In: DC Universe Christmas. New York: DC Comics, S. 145–159. [EA 1940].

Templeton, Ty (2000): Present Tense. In: DC Universe Christmas. New York: DC Comics, S. 62–63 [EA 1998].

Waid, Mark, Brian Augustyn, Paul Ryan (2000): Present tense. In: DC Universe Christmas. New York: DC Comics, S. 15–23 [EA 1997].

Sekundärliteratur

Ditschke, Stephan, Anjiin Anhut (2009): Menschliches, Übermenschliches. Zur narrativen Struktur von Superheldencomics. In: Stephan Ditschke, Katerina Kroucheva, Daniel Stein (Hrsg.): Comics. Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums. Bielefeld: transcript, S. 131–178.

Friedrich, Andreas (2007): Der Amerikanische Traum und sein Schatten. Superman, Batman und ihre filmischen Metamorphosen. In: Andreas Friedrich, Andreas Rauscher (Hrsg.): Superhelden zwischen Comic und Film. In der Reihe: Thomas Koebner, Fabienne Liptay (Hrsg.): Film-Konzepte, Band 6. München: edition text+kritik Richard Boorberg, S. 23 – 50.

Morrison, Grant (2013): Superhelden. Was wir Menschen von Superman, Batman, Wonder Woman & Co. lernen können. Höfen: Hannibal Verlag.

 

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