Von allem ein bisschen?
Unter den verheißungsvollen und nicht wenig versprechenden Titel Das Beste von Allem stellen Jutta Bauer und Katja Spitzer ihr graphisches Konglomerat, das jüngst im Aladin Verlag erschienen ist. Frei nach dem Motto think big ist der Titel aber durchaus Programm: darin bringen sie nicht nur ein fantastisches Sammelsurium lustiger, schöner und bisweilen skurriler Dinge zusammen, sondern lassen diese vom who is who der deutschen Illustratoren-Szene ins Bild setzen. 60 Zeichner haben sich daran beteiligt, darunter – und hier wird jetzt eine rein subjektive Auswahl getroffen, weil nicht alle genannt werden können – unter anderem Sabine Wilharm, Axel Scheffler, Anke Kuhl, Flix, Jutta Bauer und Nikolaus Heidelbach. Damit ist im wortwörtlichen Sinne eine illustre Runde renommierter Zeichner beisammen, die aber durch ebenso viele Nachwuchstalente bereichert wird und die gegenwärtige Vielfalt und Qualität im graphischen Erzählen der deutschen Zeichenlandschaft zeigt.
Dinge erzählen lassen
Das Kompendium besticht aber nicht nur durch seinen klangvollen Titel und die Vielfalt der beteiligten Zeichner, sondern wartet mit einem spannenden Konzept auf: erzählt wird keine fortlaufende Geschichte, erzählt wird eigentlich gar keine Geschichte, sondern erzählt wird von einzelnen Dingen. Jede Doppelseite steht unter einem spezifischen Schlagwort und versammelt 15-20 einzelne Illustrationen verschiedener Zeichner dazu. Die Bilder stehen ohne weitere Rahmungen offen und unkommentiert als visuelles Mosaik nebeneinander, lassen sich aber über eine kleine Ziffer und den Namensschlüssel am unteren Seitenrand ihren jeweiligen Zeichnern zuordnen.
Das aufgenommene Begriffsspektrum reicht von alltäglichen Gegenständen wie Lampen oder Schlüpfern, über verschiedenen Tierarten (noch lebend, wie Katzen oder bereits ausgestorben, wie Dinos) bis hin zu Gebäuden und Märchenfiguren. Es entsteht ein buntes Kaleidoskop an Zeichnungen, das weniger dazu einlädt, das Buch am Stück durchzublättern, als immer mal wieder eine Seite aufzuschlagen und nochmals neu zu entdecken. Denn die einzelnen Illustrationen zeichnen sich durch ihre besondere Liebe zum Detail aus und lassen bei jedem Betrachten neue Facetten erkennen. Das vermeintlich simple Ausgangsschema entwickelt so eine wunderbare Eigendynamik, die gerade aus der Hülle und Fülle an zeichnerischen Zugriffen resultiert und davon enorm profitiert.
Dinge neu erzählen lassen
Spannend sind bei diesem Zugriff auf die unterschiedlichen Gegenstände und Figuren noch zwei weitere Ebenen: zum einen der Vergleich der Illustrationen zu einem Begriff auf einer Doppelseite. Dann wird nämlich sehr anschaulich sichtbar, wie divergent Begriffe besetzt sind, wie man spezifische Konzepte vielseitig darstellen kann, aber auch, welche Ikonographien immer wieder auftauchen und wie einzelne Darstellungen die mit einem Wort verbundenen Bild-Stereotype wiederum lustvoll aufbrechen und unterlaufen können. So zeigt etwa Flix‘ Beitrag zum Thema Bart ein Mädchen, das sich einen riesigen künstlichen Rauschebart angeklebt hat und dabei fröhlich strahlt. Tradierte Bildnarrative zu bedienen und die Dinge ebenso neu zu sehen, steckt das Spannungsfeld ab, in dem sich die Illustrationen gekonnt und konsequent bewegen.
Zum anderen ist es reizvoll, sich auf die Spuren einzelner Künstler zu begeben. Denn nicht auf jeder Seite ist von jedem Zeichner eine Illustration dabei. Von jedem finden sich jedoch mehrere Beiträge, die man am spezifischen Duktus wiedererkennen kann und mit Freude immer wieder das Buch in die Hand nehmen lassen. So ist das Gemeinschaftswerk nicht nur ein bisschen von allem, sondern tatsächlich Das Beste von Allem.
Literatur
Jutta Bauer, Katja Spitzer (Hrsg.): Das Beste von Allem. Hamburg: Aladin, 2015.