Wer kennt dieses Gefühl nicht: Man steht morgens auf und schon geht alles schief. Alles steht im Weg, Dinge fallen hinunter und man ist ganz und gar schlecht gelaunt. Dieses Gefühl, dass sich die Welt gegen einen verschworen hat, haben Moritz Metz und Amélie Jackowski ganz wunderbar eingefangen in ihrem Bilderbuch „Der Dachs hat heute einfach Pech“.
Die Handlung
Noch im Bett liegend, stößt der Dachs die an seinem Bett stehende Lampe um, die zum Glück heil bleibt. Seine Lieblingstasse hat allerdings weniger Glück: Beim Frühstück fällt sie hinunter und zerbricht. Dann sind auch noch die Stifte zum Malen verschwunden und als der Dachs im Garten arbeiten will, fällt er über einen Spaten und wirft die Schubkarre um. Der Dachs beschließt, dass er die anderen Tiere besuchen wird, weil ihm vermutlich nur zu Hause „dumme Sachen“ passieren. Doch bei denen ist es nicht besser: Dem Waschbären ist die Wäscheleine gerissen, der Hirsch kann den Ball nicht finden und dem Hasen ist die Angelschnur verknotet. Ihnen und den anderen Tieren hilft der Dachs – bis er auf dem Nachhauseweg ins Wasser fällt und pitschnass zu Hause ankommt. Dort warten zu seiner Überraschung die anderen Tiere auf ihn und helfen ihm.
Der Kern der Geschichte
Das Bilderbuch beinhaltet Potential auf mehreren Ebenen: Zuallererst bietet es dem Leser die Möglichkeit, visuell unglaublich viel zu entdecken. Die detailreich gestalteten Bilder begleiten den Text ganz im Sinne einer Bild-Text-Interpendenz und veranschaulichen das, was in Textform erzählt wird. Sie gehen sogar noch ein Stückchen weiter, wenn sie zum Beispiel zeigen, wie der Dachs auf seinem Stuhl kippelt, um hinter sich zu greifen und dabei seine Tasse vom Tisch zu fallen droht
Daneben bringen die Bebilderungen in Kombination mit dem Text den Kern der Geschichte zum Ausdruck: Es ist nicht das Problem selbst, das uns das Leben schwer macht, sondern der Umgang mit Problemen, der uns das Leben erleichtern kann. Und das veranschaulicht der Dachs durch seine Taten, durch die er sich profiliert: Trotz zerbrochener Lieblingstasse – genau diese Abbildung ziert auch das Cover des Buches und zeigt den Dachs ratlos und traurig mit einem Handfeger vor den Scherben seiner Tasse – versucht der Dachs, in allem noch etwas Positives zu sehen und Dinge, die ihm nicht gelingen wollen, zugunsten anderer Dinge zu verschieben.
Als auch das misslingt, besucht er die anderen Tiere, denen er wiederum in ihren ‚Notsituationen‘ helfen kann. Die Botschaften, einerseits den Kopf nicht hängen zu lassen und andererseits Freunden zu helfen und sich von Freunden helfen zu lassen, werden hier großgeschrieben und vertiefen die Geschichte des Buches, die so zeigt, dass sich aus den schlimmsten Situationen das Beste machen lässt.
Die Besonderheit der Bilder
Es sind die in warmen Tönen gehaltenen Abbildungen, die dem Bilderbuch seinen besonderen Reiz verleihen: Neben ihrem „puristischen Detailreichtum“ – reduziert durch eine klare Strichführung auf das Wesentliche werden Kleinigkeiten liebevoll inszeniert und ausgeschmückt – und ihren mitunter ganzseitigen Darstellungen bestechen sie vor allem durch die liebevoll gezeichneten Tiere, mit denen der Leser einfach mitleiden muss – vor allem, wenn Tassen zerbrechen, Angelschnüre verknoten oder die Tür zum Fuchsbau verschüttet ist. Beiden Autoren gelingt es, die Emotionen der Tiere – Traurigkeit, Ratlosigkeit, Missmut, Überraschung, Freude – in den Bildern einzufangen, was die Möglichkeit der Identifikation mit den Protagonisten für den Leser um einiges erhöht.
Mit „Der Dachs hat heute einfach Pech“ ist dem Autorenduo eine Geschichte gelungen, die nicht nur Erstlesern gefallen wird, sondern deren Situationen auch einem erwachsenen Leser bekannt vorkommen und ihn so vielleicht zu einem Umdenken anregen. In ihrer Alters- und zugleich Zeitlosigkeit macht die Geschichte dem Leser nämlich eines klar: Alles ist halb so schlimm und Scherben bringen Glück…
Literatur
Petz, Moritz/Jackowski, Amélie: Der Dachs hat heute einfach Pech. Zürich: NordSüd 2015.
Thiele, Jens: Das Bilderbuch. In: Lange, Günther (Hrsg.): Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur in zwei Bänden. Bd. 1: Grundlagen, Gattungen. 3., unveränderte Aufl. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren, 2002. S. 228-242.