Peter Goes Bilderbuch Die Zeitreise ist schon auf den ersten Blick als ein ganz besonderes Buch zu erkennen: es kommt im großen Überformat mit stolzen 28×38 cm daher. Aber auch der Inhalt steht diesem beeindruckenden Äußeren kaum nach und nimmt die LeserInnen mit auf eine wilde Reise, ganz entsprechend des Untertitels, die Vom Urknall bis heute führt. So erzählt dieses Bilderbuch auch keine fiktive Geschichte, sondern ist als Sachbuch angelegt, dass einen Parforceritt durch die Weltgeschichte unternimmt. Diese faktualen Inhalte verbinden sich jedoch mit einer dynamischen Bildästhetik, die die Grenzen zwischen den Genres verwischt und diesen zum Hybrid werden lässt (ähnliche Erzählmechanismen hatten wir an anderer Stelle auch bei Shackletons Reise von William Grill beobachtet).
Überbordende Bildsprache
Jede Doppelseite widmet sich einem spezifischen Zeitabschnitt, beispielsweise “Der Ursprung des Lebens” (ohne Seitenzahlen). In der horizontalen Querachse der Seite dominiert ein großflächiges Bild den Erzählraum. Ebendiese Bildsprache macht dann auch den besonderen Reiz und Charme dieses Buchs aus: Wie im Fluss spannt sich das Bild in schwarz-weiß mit sanften Farbakzenten über die gesamte Doppselseite, während der Hintergrund schlicht einfarbig gehalten ist. Dieses Bildarrangement nimmt die BetrachterInnen unmittelbar mithinein und entfaltet eine enorme Sogwirkung. Die Bildebene ist dabei für jede Seite durchaus unterschiedlich angelegt, zeichnet sich aber immer dadurch aus, dass viele kleine Elemente wie in einem Mosaik miteinander verwoben werden und zum genauen Betrachten einladen.
Bild-Text-Verbindungen
Der Bildkanal wird durch kleinere Textfragmente ergänzt, die zum Teil außerhalb des Bildes am Rand stehen und in einem Blocktext knapp in zentrale Aspekte des jeweiligen Zeitalters einführen. Es gibt aber ebenso immer auch Textteile, meist nur einzelne kurze Sätze, die direkt im Bildfluss eingebettet sind. Typographisch fügen sich diese in den dynamischen Aufbau ein, sind geschwungen, krumm oder gebogen gesetzt. Bild und Text spielen so auch typopiktoral zusammen, d.h. die Oberfläche von den Zeichnungen und die Buchstabenoberfläche setzen sich zum unauflöslichen Gesamtbild zusammen.
Historie und kulturueller Bilderfundus
Leichtfüßig führt Goes die LeserInnen so durch Jahrtausende der menschlichen Geschichte und findet facettenreiche Bilder für jede Epoche. Je näher er sich der Gegenwart annähert, desto kürzer werden die Zeitsprünge, bis im 20. Jahrhundert schließlich jedem Jahrzehnt eine gesamte Doppelseite gewidmet ist. Dass diese Bildsequenzen dabei selbstverständlich nur einen Ausschnitt zeigen können und auch durch eine europäische Perspektive beeinflusst sind, fällt zwar auf, ist aber auch kaum anders denkbar. Ein amerikanischer oder asiatischer Künstler hätte vermutlich andere Schwerpunkte gesetzt. Es ist dennoch sehr beeindruckend, wie Goes es schafft, mit wenig Text und vielen kleinen Bilddetails die Kulturgeschichte der Erde nachzuzeichnen. Gerade in diesen Bildern verdichtet sich auch das Zitierspiel mit Bildikonen und es lassen sich unzählige Verweise auf Figuren der Populärkultur, Politiker, Sportler, Marken, Musik, Filme usw. finden. Goes schöpft hier aus den Vollen des Bilderfundus und weiß diese Elemente in Beziehung zueinander zu setzen. Damit ist das Buch an vielen Stellen auch ein sehr voraussetzungsvolles Geflecht; viele Anspielungen und Codes wird man nur mit entsprechendem Vorwissen erkennen. Aber in diesem möglicherweise gemeinsamen Entdecken liegt auch der spezifische Reiz des Buchs.