Hinter dem etwas blumigen Titel Eine Woche voller Erdbeertage (2017) verbirgt sich eine interessante Anthologie, die sich den unterschiedlichsten Facetten der Menstruation widmet. Damit steht ein Thema im Zentrum, das immer noch gesellschaftliches Tabu ist, bzw. häufig nur verklausuliert angesprochen wird. Man denke etwa an absurde Werbungen für Slipeinlagen, die jegliches rotes Farbsignal tilgen und stattdessen blaue Flüssigkeit einsetzen.
Den Missstand des Nicht-Sagens reflektiert die Herausgeberin Gesa Kunter in ihrem knappen Vorwort und bricht es auf, „Denn seine Tage zu bekommen, ist durchaus etwas, über das man sprechen kann.“ (S. 7) Und genau dies tun zwölf Autorinnen, die sehr verschiedene Kurzgeschichten beigesteuert haben und die monatliche Regelblutung mit all ihren Hochs und Tiefs aus diversen Blickwinkeln ausleuchten. Warum die Sammlung dabei im Titel den doch recht absurden Euphemismus der Erdbeertage perpetuiert, ist fraglich und ein wenig schade. Der Klappentext verspricht weiterhin „Ein ‚Tagebuch‘ mit 12 rosaroten Kurzgeschichten […]“, womit der Band in der paratextuellen Rahmung insgesamt unglücklich inszeniert wird. Denn die eigentlichen Geschichten – in Verbindung mit einer jeweils begleitenden Illustration von Katja Spitzer – erweisen sich als gelungene Mischung und interessante Fundgrube, die keineswegs verklärend daherkommt oder eine rosarote Brille erfordert.
Die erzählte Periode
Das Beiträgerinnenfeld der Sammlung ist prominent besetzt und vereint viele wichtige deutschsprachige Autorinnen der gegenwärtigen Kinder- und Jugendliteraturszene. Mit Tamara Bach, Kirsten Fuchs und Martina Wildner sind sogar gleich drei Gewinnerinnen des deutschen Jugendliteraturpreises dabei; und einige mehr, die ebenfalls nominiert waren und/oder Nachwuchspreise gewonnen haben. Mit Stefanie Höfler, Aygen-Sibel Çelik, Lena Hach, Julia Wolf, Sarah Bosetti, Stefanie Gerstenberger, Katharina Bendixen, Kathrin Schrocke sowie Nora Miedler ergibt sich eine große Vielfalt an Verfasserinnen. Der Blick auf die Titel des Inhaltsverzeichnisses offenbart dann auch, wie unterschiedlich sich die jeweiligen Zugriffe auf das Thema gestalten: „Flut“, „Was Rotes“ oder „Verliebtheitshormone“ stehen wie selbstverständlich neben „Indischer Kardamom“ und „Lilien für Iris“. Der Herausgeberin ist es gelungen, die Beiträge so zu koordinieren, dass es zu keinen inhaltlichen Dopplungen kommt. Jede Geschichte ist höchst individuell und entwickelt eine ganze eigene Strategie für die erzählte Periode.
Interessant ist, dass so nicht nur bedrohliche Erfahrungen der ersten Regelblutung als möglicherweise existenzielle Krise reflektiert werden, sondern ebenso alltägliche Kleinigkeiten angesprochen werden. Die Geschichten oszillieren zwischen Tragik, Komik und Pragmatik, verhandeln auch kulturelle und zeitliche Differenzen, etwa wenn über die Beschaffenheit von Hygiene-Artikeln in der Jugend in der DDR berichtet wird. Die Verweise auf die Menstruation bewegen sich gekonnt zwischen expliziter Thematisierung und subtiler Darstellung und zeigen ein weites Panorama. Dass sich dieser Reibungspunkt häufig mit all den anderen möglichen Krisen des Heranwachsens verschränkt, ist gut gelöst. So stehen nicht nur die Protagonistinnen im Fokus, sondern auch deren Einbettung in einen familiären oder sozialen Rahmen; der Einfluss der Regelblutung auf sportliche Aktivitäten wird ebenso angesprochen wie der erste Sex. Damit zeigt die Geschichtensammlung ganz selbstverständlich, dass die Menstruation weder tabu noch uniform ist, sondern ein höchst individuell besetztes Thema, über das man nicht schweigen muss.
Literatur
Gesa Kunter (Hrsg.): Eine Woche voller Erdbeertage. Von Hormonen und anderen Katastrophen. Würzburg: Arena 2017.