Anna Stemmann fragt nach bei Flix…Flix, Jahrgang 1976, zeichnet seit vielen Jahren Comics, hat bereits zweimal den Erlanger ‚Max und Moritz-Preis‘ gewinnen können, spielt immer wieder virtuos mit den erzählerischen Möglichkeiten des Mediums und gewährt im Folgenden Einblicke in seine Wahrnehmung des Comicbetriebs.
Du gehörst schon seit einigen Jahren zur Spitze der erfolgreichsten deutschen Comiczeichner, ein durchaus steiniges Pflaster. Gab es auch eine Alternative zu diesem Weg oder wolltest du immer schon professionell Comics machen?
Eine Weile dachte ich, ich würde Musiker werden. Eine Karriere als klassischer Orchesterklarinettist hätte mir auch gut gefallen. Aber mit 17-18 Jahren habe ich gemerkt, dass ich dafür trotz intensiven Übens nicht gut genug bin. Zudem war ich von der klassischen Musik irgendwann etwas enttäuscht. Ich habe das Spielen der Stücke als “Nachmachen” empfunden, nicht als “Selbermachen”. Zeichnen war bis dahin eine Nebenbeschäftigung für mich.
Comics, die sich ausdrücklich an Kinder richten, nehmen in deinem Portfolio eher einen kleinen Platz ein. Was reizt dich besonders an der Ferdinand-Reihe?
Die Zusammenarbeit mit Ralph Ruthe. Und den unschuldigen Humor.
Auf dem Feld der ‚Kindercomics’ entwickeln sich gerade spannende Formen, etwa von Luke Pearson, Emilé Bravo oder Ariol – Mit deinem Bilderbuch Das Schlaf (2014) hast du bereits einen Ausflug in diesen Bereich gewagt, planst du neben Ferdinand weitere Projekte in diese Richtung?
Nein. “Ferdinand” reicht mir im Moment als Comicarbeit für ein jüngeres Publikum. Kindercomics sind eine Nische in einer Nische. Es ist schwer, damit ein größeres Publikum zu erreichen, selbst wenn man, wie im Falle “Ferdinand” eine auflagenstarke Kinderzeitung m Rücken hat.
Aber es kann durchaus sein, dass ich in den nächsten Jahren noch ein paar Bilderbücher mache. Bilderbücher sind für Comic-Zeichner überschaubare Projekte. Sie haben ja, verglichen mit einem Comicalbum, relativ wenige Bilder. Und schließlich bin ich Vater, da sitze ich ja quasi an der Quelle, was Ideen angeht.
Du pflegst bei Lesungen und vor allem auch Facebook den direkten Kontakt zu deinen Lesern – welche Rolle spielt das für deinen Arbeitsprozess?
Es ist in erster Linie Motivation. Zu sehen, dass es Leute gibt die meine Sachen lesen, tut mir gut.
Welchen Signierwunsch hättest du am liebsten mal selbst behalten?
Neulich hat sich eine junge Dame mal einen hübschen Zombie gewünscht. Da habe ich eine untote Nymphe mit Jogginghose gezeichnet, die in lasziver Pose zwischen Totenschädeln lag. Das war eine tolle Zeichnung.
Und was wolltest du schon immer mal zeichnen, hat sich aber leider noch keiner gewünscht?
Farin Urlaub.
Wie stehst du zu dem durchaus kritisch diskutierten Begriff der Graphic Novel? Chance oder Etikettenschwindel?
Ich finde den Begriff Graphic Novel gut. Es ist ein Marketingbegriff. Er öffnet Türen. Er bringt Leute zum Comic, die sonst darüber die Nase gerümpft haben. Und er lässt Journalisten über Comics schreiben, die das sonst nicht gemacht hätten.
Man darf halt nur nicht daraus ableiten, dass Graphic Novels die besseren Comics wären. Es sind im Moment nur die Zugpferde. Irgendwann, wenn sich das Bild in den Köpfen, Comics seien Schund, geändert hat, können andere übernehmen.
Wie beurteilst du in diesem Zuge die Entwicklung der Comicszene und die öffentliche Wahrnehmung von Comics in Deutschland? Ein großer Einschnitt scheint mir die Einstellung der FAZ Comicsstrips zu sein, indem du auch den Faust und Don Quijote vorab veröffentlichen konntest…
Es gibt überall Phasen. Mal gibt es mehr Zeitungscomics und mal weniger. Nur weil es bis vor kurzem mehr gab, heißt es ja nicht, dass alle gut waren.
Immer wenn ein neuer Chef kommt, muss sich etwas ändern. Und die einfachste Maßnahme ist bei einer Zeitung, die Bilder auszutauschen. Wenn man die Qualität der Texte verändert, merkt das so schnell niemand. Wenn man aber die Bilder verändert, sieht es sofort jeder: Es tut sich etwas. Jetzt ist der Comicstrip aus der FAZ verschwunden. Aber ich bin sicher, in ein paar Jahren kommt jemand auf die grandiose Idee, was eine gute Zeitung unbedingt braucht: Einen exklusiven Comicstrip!
In deiner Reihe Schöne Töchter, die monatlich als Zeitungsabdruck im Berliner Tagesspiegel erscheint, spielst du virtuos mit der Poetik des Comics, aber auch mit sensiblen Themen des zwischenmenschlichen Zusammenseins. Gehen dir nie die Ideen aus oder für welche Idee fehlte dir bisher das richtige Format?
Ich bin bei der Reihe “Schöne Töchter” selber immer wieder überrascht, dass mir Monat für Monat was neues einfällt. Vielleicht hilft da dieser Rhythmus, dass ich nur einmal im Monat eine Folge zeichnen muss. Ich brauche für eine Folge je nach Aufwand zwischen zwei und fünf Arbeitstagen. Dann habe ich drei Wochen Zeit um wieder andere Sachen zu machen. Und dann kann ich – ganz frisch – wieder über eine neue Folge nachdenken. Das hilft sehr. Ich glaube, schneller könnte ich diese Reihe nicht machen.
Wenn du eine Comic-Figur relaunchen dürfest, welche wäre das?
Ich würde sehr gerne mal eine Spirou-Geschichte zeichnen. Das würde mir, glaube ich, großen Spaß machen. Natürlich müsste das Marsupilami einen Gastauftritt haben.
Und welcher Zeichner dürfte mal eine deiner Geschichten neu erzählen?
Jeder, der möchte.