It’s not Porn, it’s Fischer Jugendbuch!

Nymphs – Verführerischer Vollmond

Didi ist verliebt in Johannes. Nach einer Party, bei Vollmond, haben die beiden das erste Mal Sex. Doch während sie miteinander schlafen passiert etwas Schreckliches: Johannes sackt tot in sich zusammen. Für Didi ändert sich ab dieser Nacht alles. Ihre Mutter übergibt Didi an Kati und Nadia, zwei fremde Frauen,die erst alle Besitztümer von Didi verbrennen und sie dann gegen ihren Willen unter Drogen setzen und entführen.

Bald findet Didi heraus, was mit ihr passiert ist: Sie ist eine Nymphe. Als Nymphe ist sie unsterblich, doch zu jedem Vollmond muss sie mit einem Mann schlafen, sonst wird sie dennoch sterben. Die meisten Männer hingegen werden diese Nacht nicht überleben. Didi soll daher nun bei Kati und Nadia wohnen, die ebenfalls Nymphen sind. Ihr altes Leben muss sie dafür jedoch hinter sich lassen. Die drei Nymphen werden nämlich verfolgt, von Satyrn.

Literarisch anspruchslos

Zum Roman, möchte man ihn spaßeshalber für einige Augenblicke ernst nehmen, lässt sich wenig Positives sagen. Die Erzählung kann nur mit einem sehr beschränkten Wortschatz auffahren, so dass Beschreibungen äußerst redundant sind. Wer auf komplexe Figurenzeichnung wert legt, wird hier enttäuscht werden. Die Figuren sind psychologisch flach und unglaubwürdig und Handlung wird eher unmotiviert vorangetrieben. Konfliktgespräche sind, wo sie einmal auftauchen, eher kurz und wenig überzeugend. Dennoch lohnt es sich über Nymphs nachzudenken, nicht als Text, den man lesen sollte, sondern als Phänomen der aktuellen Verlagslandschaft.

Romantasy

Fischer vertreibt den auf der finnischen Fernsehserie Nymfit beruhenden Roman als ‘Romantasy’. Einige Züge der Gattung Fantasy sind zugegebenermaßen auch vorhanden: So wird Didi in diesem ersten Band andeutungsweise als auserwähltes Kind vorgestellt, dessen Ankunft eine Sage prophezeit hat. Mit Nymphen und Satyrn als Protagonisten imitiert der Roman außerdem die Nähe der Fantasy zu mythischen Stoffen. Doch schon hier fällt es schwer wirkliche Parallelen auszumachen, muss man die Nymphen und Satyrn doch viel eher als Nymphomaninnen und an Satyriasis erkrankte Männer, also als pathologisch sexuell gestört und weniger als fabelhaft einstufen.

Gibt das sich in einem geblümten Sommerkleid auf einem Chaiselongue räkelnde, rothaarige Mädchen auf dem Cover schon einen ersten Hinweis auf die eigentliche Natur des Textes, so werden spätestens im Prolog alle Zweifel beseitigt. Didi träumt davon, wie sie eine Marmorstatue ihres eigenen nackten Körpers streichelt und dabei Lust empfindet. Zu ihr tritt schließlich “ein dunkelhaariger, breitschultriger Mann mit weißem, gestärktem Hemd und schwarzer Hose” (6), der in der Hitze der untergehenden Sonne nicht zu schwitzen scheint, während sich bei Didi Schweißperlen “zwischen ihren Brüsten” (6) bilden. Dem anfänglichen Eindruck, im erotischen Kitsch von Blanvalet Coverart gefangen zu sein, wird nun eine plakative, dem Softporno verbundene Weltenkonstruktion angeschlossen. Sexuelle Stimulation der LeserInnen steht dabei im Fokus. Die Erzählung ist geprägt von erotischen Anspielungen, Sinneseindrücken, Beschreibungen von Körperteilen und gegenseitiger Berührung. Dies wird besonders in der Beziehung von Nadia und Didi deutlich. Nadia küsst Didis Knöchel, um eine Wunde dort zu heilen, lässt “ihre Hand auf Didis nacktem Knie ruhen” (137) und massiert das in der Badewanne liegende Mädchen mit marokkanischem Rosenöl. Der Umgang der älteren Nymphe mit dem noch unerfahrenen Mädchen wird so meist erotisiert dargestellt: “Didi gab sich Nadias Spiel hin, und sie tanzten eng umschlungen durch das Wohnzimmer, bis sie erschöpft waren und auf das Sofa sanken. Didi atmete schwer…”. (189/139) Geschlechtsverkehr selbst wird ebenso mehrfach beschrieben, wie etwa zwischen Didi und Johannes: “Er kniete sich zwischen ihre Beine und streichelte einen Moment lang die Rundungen ihres Hinterns, bevor er ihre Hüfte leicht anhob” (28) und zwischen Nadia und Jesper: “Es reichte, dass Nadia seine Haut leicht berührte, als sie seinen Schal abnahm, schon war er hart. Er hob den mehrstöckigen Rock hoch, ließ Nadia ein Bein um ihn herumschlingen und drang in sie ein.” (166) Erik Mann, der Anführer der Satyrn, zeichnet gerne menschliche Paare, während sie vor ihm Sex haben und Rückblenden beschreiben eine Zeit als Nadia und Kati noch mit den Satyrn in einem Anwesen gewohnt haben. Hier wird eine patriarchale Gesellschaftsstruktur beschrieben, in der es zur Norm gehört, dass die Nymphen den Satyrn sexuell zu Diensten sind.

Warum also ‘Romantasy’? Mag die Publikation dieses Romans im Fischer Verlag schon zur Verwunderung einladen, so ist die Tatsache, dass Fischer sich entschieden hat Nymphs in der Kinder- und Jugendbuchsparte zu platzieren besonders spannend.

Jugendgerecht

Beachtet man die vom Verlag intendierten Adressaten von Nymphs, so erklärt sich die strategische Einordnung des Textes als ‘Romantasy’ von selbst. ‘Fantasy-Softporno’ würde bei erwachsenen Erziehern sicher Ärger hervorrufen. Nun wäre es für eine sinnvolle Diskussion jedoch zu kurz gegriffen, wenn der Roman einfach als nicht-jugendgerecht abgetan werden würde. Kinder- und Jugendliteratur ist seit jeher schwierig zu fassen, hat keine inner-textlichen Merkmale, auf denen eine Gattungsdefinition fußen könnte und so formt sich der Corpus der Kinder- und Jugendliteratur über den Akt des Adressierens stetig neu. Als einer der traditionsreichsten Verlage hat Fischer durchaus das kulturelle Kapital Softpornos in die Definition der Jugendliteratur aufzunehmen. Ergänzend muss bedacht werden, das jegliche Bewertungen, ob diese Jugendliteratur nun jugendgerecht ist oder nicht, auf erwachsenen Konstruktionen von Jugendlichen beruht. Es lässt sich also keine Aussage treffen, ob der Text nun jugendgerecht ist oder nicht. Dennoch ist Nymphs äußerst problematisch.

Verantwortung, Einverständnis und andere Oberflächlichkeiten

Wie Anfangs dargestellt, bietet der Roman als Literatur wenig, das begeistern könnte. Hinzu kommt, dass die Grundsituation des Romans es legitimiert, äußerst oberflächliche zwischenmenschliche Beziehungen in den Mittelpunkt zu rücken und Themen wie Verantwortung für eigene Straftaten und die Einwilligung aller Partner zum Sex als verhandelbare Größe zu präsentieren.

So führt Nymphs äußerst stereotype Ideale von Weiblich- und Männlichkeit ins Feld. Die Nymphen sind alle optisch makellos, schön und schlank. Männer hingegen sind hier noch ‘echte Männer’. Wiederholt wird darauf hingewiesen, dass Männer, die nicht fit sind, die Nacht mit einer Nymphe eher nicht überleben, während sportliche Männer eine Chance haben dem Tod zu entkommen. Muskeln und Potenz ersetzen hier bei der Partnerwahl den Charakter, Sexappeal wird wichtiger als eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Dies wird schon deutlich, wenn über Johannes erzählt wird er „roch ganz nach Mann“(27) oder Katis einstige, große Liebe als breitschultriger menschlicher Kämpfer mit langen Haaren, Lederarmbändern und einem Fuchsfell um den Schultern beschrieben wird. In den Satyrn findet sich nun das gesteigerte Abbild dieses, eigentlich schon lange veralteten, Männlichkeitsideals wieder, welches schließlich in Erik, der passend mit Familiennamen ‚Mann‘ heißt, gipfelt.  Die Tatsache, dass Didi gerade die Gender Forschung an der Universität besonders interessiert, kann so wohl nur als Scherz gemeint sein. Obwohl Nadia und Kati, und Didi somit ebenso, sich der Herrschaft der Satyrn entzogen haben, sind ist es doch ihre Beziehungen zu Männern, die alle drei Frauen definieren und die im Zentrum aller Handlungsstränge stehen.

Da Didi eine Nymphe ist, braucht sie keine besonderen Eigenschaften oder Wesenszüge, um andere von sich zu überzeugen. Entsprechend ist sie auch mit keinen ausgestattet. Ähnlich Bella Swan aus der Twilight-Serie ist Didi so eine perfekte Leerstelle, um als Identifikationsfigur für eine möglichst hohe Anzahl an Leserinnen zu dienen. Es bleibt allerdings kritisch, ob dies nun wahrlich erstrebenswert ist. Dies hat mehrere Gründe. Über Verantwortung für die Tode der Männer, die mit Didi schlafen, wird hier nur sehr verkürzt nachgedacht und Didis Trauer und Selbstvorwürfe bezüglich ihrer verstorbenen Liebhaber halten selten länger als ein paar Tage an. Da es der Vollmond ist, der die Nymphen dazu bringt mit den Männern zu schlafen und diese den Nymphen wiederum völlig verfallen sind, kann, so wird im Roman vorgeführt, keiner wirklich verantwortlich gemacht werden. Die Problematiken welche mit dieser Gesamtsituation entstehen, werden von Nymphs völlig unkommentiert gelassen. Betrachtet man die Situation genauer wird schnell deutlich: Keiner willigt hier wirklich zum Sex ein. Besonders anschaulich lässt sich dieser Aspekt an einer Aussage von Johannes beobachten:

»Wir müssen nicht«, sagte Johannes, aber seine raue Stimme sprach eine andere Sprache, als er Didi an sich zog. »Aber du kannst nichts falsch machen.« (25)

Johannes verkennt hier eindeutig die Situation, denn obwohl Didi noch nicht weiß, dass sie eine Nymphe ist, greift hier schon die Macht des Vollmonds. Er muss, weil sie ihn anzieht und sie muss, weil der Vollmond sie zwingt. Doch ist es nicht nur der Vollmond der Didi bedrängt. Zwang kommt ebenso in der Beschreibung von Johannes Stimme zum Vorschein, die „eine andere Sprache“ spricht und damit seine eigene Aussage wiederlegt: Johannes droht hier mit Vergewaltigung. Nymphs verharmlost diese Thematik nun, indem der Zwangssex eingebettet wird in einen naturalisierenden Diskurs. Nadia erklärt Didi zu Anfang des Textes, ihr „Hautstaub zieht Männer an wie der Blütenstaub die Bienen“ (97). Dementsprechend kann Didi Jannes (Didis zweiter Liebhaber) aufdringliches Verhalten später im Text auch einordnen: „Janne hatte sich nicht in sie verliebt, sondern spürte den Ruf der Pheromone.“(158) Sex steht hier damit stets an der Schwelle zur Vergewaltigung und wird gleichzeitig von diesem Vorwurf freigesprochen.

Zusätzlich problematisch wird es nun, wenn dies nicht nur vom Roman ignoriert wird, sondern vom Verlag als Romantik vermarktet wird. So heißt es auf der Buchrückseite: „Ohne Liebe müssen sie sterben, doch ihre Liebe bedeutet für andere den Tod.“

All-Age Softporno

Nymphs ist ein Softporno. Somit wird Sex nicht nur thematisiert, sondern der Text ist darauf ausgerichtet seine LeserInnen sexuell zu stimulieren. Im Falle der deutschen Ausgabe von Fischer sind dies nun in der Sparte Fischer Jugendbuch jugendliche LeserInnen ab vierzehn Jahren. Der Roman ist allerdings nur zum Teil an Jugendliche gerichtet ist. Vielmehr wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und so etwa über Kati und Nadia auch zahlreiche Subjektpositionen für erwachsene LeserInnen geschaffen. Wir haben es hier also eher mit einem All-Age Softporno zu tun. Jugendliche werden einerseits eingeladen, sich von Erwachsenen erdachten, pornographischen Darstellungen im gewissen Sinne gegen ihren Willen miteinander schlafender Jugendlicher und Erwachsener erregen zu lassen. Andererseits sieht der Roman ebenso vor, dass erwachsene LeserInnen sich vom nur bedingt auf gegenseitigem Einverständnis beruhenden Sex Minderjähriger (Didi ist 16 Jahre alt) oder beispielsweise Nadias steten Verführungen der jungen Didi erotisch stimulieren lassen. Die Absurdität der Situation wird deutlich, wenn Erik Mann, der als Satyr unsterblich und somit schon sehr alt ist, im Hotelzimmer Sex mit der Nymphe Frida hat. Während Frida auf ihm reitet, blickt Erik auf ein Foto von Didi, kneift dann jedoch die Augen zusammen und denkt an Rose, von der angedeutet wird, dass sie Didis echte Mutter ist. Erik sieht nun “in dem rothaarigen Mädchen auch Rose. Gleich würde er einen gewaltigen Höhepunkt erleben.” (239) Mutter und Tochter überblenden und werden gemeinsam gewissermaßen zur perfekten ‘Wichsvorlage’. Im Wertehaushalt des Romans ist es unwichtig, ob minderjährig oder nicht, es ist die Wirkung der Frau auf den Mann, die hier im Zentrum steht.

Der Haken

Es ist zugegebenermaßen verführerisch in Zeiten, in denen Bücher wie Fifty Shades of Grey große Gewinne abwerfen, mit sexuell aufgeladenen Büchern ähnliche Erfolge erzielen zu wollen. Anzunehmen, dass Jugendliche nicht wissen, wie sie über das Internet oder Freunde und Bekannte an Pornofilme kommen wäre naiv. Softpornos sind der Lebenswelt von Jugendlichen nicht unbedingt fremd. Es ist jedoch etwas anderes, ob Jugendliche sich Softpornos heimlich aneignen oder ob Erwachsene diese Produkte gezielt an Jugendliche und damit in dem Fall Minderjährige adressieren, vor allem, wenn diese nicht einvernehmlichen Sex als Romantik präsentieren. Mehr Reflektionsvermögen diesbezüglich hätte man sich vom Fischer Verlag auf jeden Fall wünschen können.

Medien

Nymphs – Verführerischer Vollmond und der zweite Band Nymphs – Tödliche Liebe sind ab dem 25.09.2014 im Handel erhältlich.

Buchtrailer (mit Szenen aus der finnischen Serie Nymfit)


Bibliographie:

Luhtanen, Sari und Oikkonen, Miikko: Nymphs. Verfüherischer Vollmond. FJB. S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main: 2014. Roman.

Der Titel dieses Beitrags wurde inspiriert von dem Funny or Die Sketch “It’s not Porn”:

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