Am 28. Februar 2015 fand in der Zentralbibliothek Frankfurt die Verleihung des Frankfurter Jugendliteraturpreises 2014 statt. Es war die zweite Verleihung des Preises, seit der Kurzgeschichten-Wettbewerb 2012 gegründet worden war. 48 Geschichten erreichten in diesem Jahr die Jury, bestehend aus Medienpädagogin, Autorin und Kulturjournalistin Daria Eva Stanco, Autorin und Literaturwissenschaftlerin Hilke-Gesa Bußmann, Autor und Blogger Jannis Plastargias, Heidi Zehentner, Redaktionsleiterin des FRIZZ Magazins, sowie Marc Rybicki, freier Journalist der Frankfurter Neuen Presse. Aus den Einsendungen wurden jeweils 3 Kanditatinnen und Kanditaten in drei Altersparten (10-13 Jahre, 14-17 Jahre und 17+) nominiert. Alle neun trugen Auszüge ihrer Texte im Verlaufe des Abends vor. Zusätzlich wurden 3 Ehrenpreise vergeben für Geschichten, die es zwar nicht unter die Nominierten geschafft hatten, der Jury jedoch positiv aufgefallen waren. Durch den Abend führten Jannis Plastargias und Fabian Stanco.
Am Ende standen drei Sieger fest: In der Altersgruppe 10-13 Jahre gewann Kira Jennifer Flach Arévalo mit ihrer Geschichte “Unser Versprechen”. In der Gruppe der 14-17 Jährigen ging der erste Platz an Christina Bartholomé mit “Auf Wiedersehen, Mama”. Bei den Nominierten über 17 Jahre siegte “Mind the Gap” von Sarah Beicht.
“Wir wollen Mut machen”
In seiner Eröffnungsrede berichtete Levend Seyhan, Autor und Projektleiter des JuLiP, von der Zielsetzung des Wettbewerbs. Es ginge den Organisatoren und Organisatorinnen darum Mut zu machen. Ein Fundament solle geschaffen werden, auf dem jugendliche Autoren ihre Stimme finden, ihren Herzen folgen können und lernen für sich zu sprechen, gerade dann, wenn andere nicht für sie sprechen.
Der JuLiP hielt im Zeichen der Förderung daher einiges an Starthilfe für die Teilnehmer, Nominierten und Gewinner bereit. So wurden alle eingereichten Kurzgeschichten in einer Anthologie veröffentlicht, die Teilnahme also direkt mit einer Erstveröffentlichung belohnt. Für die Schulen der Teilnehmer gab es Fördergelder und die Gewinner erhielten neben einem Geldpreis auch noch einen Präsentkorb. Zusätzlich wurde allen Nominierten angeboten, einen Tag hinter die Kulissen der Redaktionsarbeit des FRIZZ Magazins zu schauen. (Dass die Förderung Früchte trägt, zeigte sich an den anwesenden TeilnehmerInnen des letzten JuLiP, die alle noch schreiben und an weiteren Schreibprojekten teilgenommen haben. Viviana Iparraguirre DelasCasas, Siegerin 2012, hat nun auch ein Manuskript fertiggestellt, welches Verlagen vorliegt.) Als weiteres Signal, dass die Preisverleihung als kulturelles Event ernstgenommen wurde, spielte zwischen den Vorträgen der JungautorInnen ein Violinduo klassische und moderne Stücke. Außerdem gab es ein Büffet, welches Unmengen an kleineren Snacks, Softgetränken und Wein für die Gäste bereithielt. All dies erzeugte den Eindruck, dass die Sponsoren (u.a. die Stadtbücherei Frankfurt, die Metzler-Stiftung, die Stiftung der Polytechnischen Gesellschaft, die AWO Frankfurt, sowie FRIZZ Magazin und das Hessische Literaturforum im Mousonturm) voll hinter dem Konzept der Veranstaltung stehen. Die Stimmung vor Ort war ganz auf die jungen Autoren ausgerichtet. Wer wollte konnte vorher noch einmal vorlesen üben und alle konnten sich aussuchen, ob sie sitzend oder stehend den Auszug ihres Beitrags vortragen wollten. Zwischen Lesungen und Violinstücken interviewte Jannis Plastargias stolze Eltern, piesackte Brüder, quetschte mitgekommene beste Freundinnen aus oder fühlte den Freunden der weiblichen Nominierten auf den Zahn, so dass schnell eine gute und sichere Atmosphäre entstand.
Einzig ein wenig enttäuschend waren die Interviews mit den AutorInnen, zu ihren Kurzgeschichten. Hier verpasste es Moderator Fabian Stanco bedauerlicherweise umzuschalten von der ermunternden Ausrichtung der Veranstaltung zu einem doch zumindest ansatzweise, literarischen Austausch. So waren Bemerkungen und Fragen teilweise recht redundant und hatten zu wenig konkreten Bezug zu den vorgetragenen Texten, welche ausschließlich mit Fokus auf Botschaft und Emotion, nicht jedoch Machart und Aufbau hinterfragt wurden.
Texte, Themen, Tod und Trauer
Auffällig war, dass die meisten der eingereichten und nominierten Texte sich mit tief ernsten und dramatischen Themen auseinandersetzten. Tod, Verlust, Trauer, Mord, Selbstmord und Leiden standen im Zentrum der meisten Geschichten und bildeten auch den Kern der Siegertexte. So ging es in “Unser Versprechen” von Kira Jennifer Flach Arévalo um die Macht der Worte und die Gespräche mit der toten besten Freundin, welche bei einem Autounfall gestorben war. “Auf Wiedersehen, Mama” von Christina Bartholomé beschrieb die Zeit zwischen dem Moment in dem die Protagonistin vom Tod der Mutter erfährt, bis hin zu dem Augenblick an dem sie mit der Trauer zu leben lernt. “Mind the Gap” von Sarah Beicht erzählt von einer Nacht in Wales. Die Protagonistin trifft einen jungen Mann, der sich in die Fluten des Severn stürzen möchte, am Ende jedoch von der Protagonistin davon abgebracht wird. Ein Grund für diesen Umstand könnte sein, erklärte Jurorin Hilke-Gesa Bußmann, dass sich die TeilnehmerInnen größere Chancen erhoffen, von der Jury prämiert zu werden, wenn die Geschichte möglichst dramatisch ist. Bußmann gab jedoch an, dass dem durchaus nicht so sei. Die Geschichten würden nach einem Punktesystem bewertet, dass auch Aspekte wie die Dramaturgie der Geschichte mit einbezieht. Eine kurze Begründung der Jury, warum die drei Texte gewonnen haben, wäre hier also sicher von Interesse gewesen.
Spannend ist auf jeden Fall, dass sich die Themenwahl der jungen AutorInnen im starken Kontrast zu vielen Ansichten bezüglich Kinder- und Jugendliteratur positioniert. Achtet Kinder- und Jugendliteratur oft darauf, die Adressaten mit ihren Themen nicht zu überfordern und Geschichten nah an der Lebenswelt der potentiellen LeserInnen zu konzipieren, bauen die jungen AutorInnen gezielt auf Eigenüberforderung und die Beschäftigung mit dem Fremden, noch-nicht-Erlebten. Dass traurige Themen die Chancen auf einen Sieg erhöhen, legt die Auswahl der Siegertexte nahe. Es kann jedoch genauso angebracht werden, dass Schreibwettbewerbe für Jugendliche jungen AutorInnen die Gelegenheit geben, aktiv mitzubestimmen, welche Themen nun kind- und jugendgerecht sind oder nicht und was man jüngeren LeserInnen zutrauen kann.