Ringo und die Vampirkaninchen

Ringo, titelgebender Protagonist in Katja Spitzers Kinderroman Ringo und die Vampirkaninchen (2022), ist ein Windhund und Butler. Er spricht zwar nicht die Sprache der Menschen, versteht diese aber sehr gut und arbeitet daher mit viel Erfolg bei Mr. Constantin als dessen persönlicher Butler in einem Schloss. Dieser Wohnsitz liegt einsam in den karpatischen Bergen. Das räumliche Setting signalisiert versierten Vampirliteratur-Kenner:innen bereits unmissverständlich, was da noch kommt. Neben dem direkten Verweis auf Vampirkaninchen im Titel, greift die Geschichte dann auch im Verlauf auf wichtige Bestandteile des Genres zu: Vollmond, Knoblauch und spitze Zähne spielen eine zentrale Rolle, als eine mysteriöse Horde von pöbelnden Kaninchen im Schlossgarten aufschlägt.

Humorvoller Grusel

Die Geschichte entgruselt viele Aspekte des Vampir-Mythos‘ durch eine große Portion Flausch und Komik. So wird der Roman auf seinem Klappentext treffenderweise als „humorvolle Gruselgeschichte“ beworben. Für Lesende verschiedenen Alters gibt es dabei verschiedene Ebenen der Komik, womit der Roman auch perfekte Vorlese-Lektüre ist. Körperbetonter Slapstick, Pups-Humor sowie die sprachliche Gestaltung, mit viel Wortwitz und klanglichen Spielereien, trägt dazu ebenso bei, wie das skurrile Miteinander von Mr. Constantin und Ringo: „Mr. Constantin blickte wieder in seine Zeitung, seufzte und Ringo entfernte sich unauffällig, nach Art der Butler.“ (S. 3) Die kräftigen Illustrationen von Katja Spitzer setzen das Geschehen auf jeder Seite zusätzlich gekonnt ins Bild und es gibt darin viele weitere Anspielungen zu entdecken.

Flausch-Alarm im Schloss

Das ungestörte und alleinige Zusammenwohnen von Mr. Constantin und Ringo wird am Beginn der Geschichte gehörig aufgestört, als der Hausherr in der Post unverhofft „einen flauschigen Freund“ (S. 6) erhält. Eine Expartnerin hat ihm einen weißen Hasen übermittelt, dieser „trägt den Namen Moffat, hört aber nicht darauf.“ (S. 6). Dass sie damit möglicherweise nicht nur gute Absichten verfolgt, zeichnet sich bald ab. Während Mr. Constantin begeistert ist, ist Ringo alles andere als erfreut. Die anderen flauschigen Kaninchen, die bereits seit einiger Zeit im Schlossgarten randalieren, reizten ihn so sehr, dass er sogar eine „Kaninchen-Anti-Aggressions-App“ (S. 13) auf seinem Smartphone installieren musste. Zur Beruhigung wiederholt er immer wieder sein darin gelerntes Mantra: „Alle Wesen sind wertvoll, auch wenn ich sie gerne jagen möchte.“ (S. 13)

Die Mümmler kommen zurück

Bald ereignen sich immer mehr mysteriöse Dinge im Schloss, Mr. Constantins geliebte Rosen werden zerstört und er überhäuft seinen neuen Mitbewohner mit kostspieligen Geschenken. Daher will Ringo „ein ernstes Wort mit dem Flauschbruder wechseln“ (S. 12). Als Ringo dann in der Nacht vor Vollmond eine ganze Gruppe von Kaninchen mit roten Augen und langen, spitzen Zähnen entdeckt, steht für ihn fest, dass Moffat der Oberboss der Vampirkaninchen ist und ihm ans Fell will. Routiniert informiert Ringo sich in der Schlossbibliothek über diese besondere Spezies. Eine doppelseitige Illustration des Lesezimmers, ohne Text, öffnet subtil das gesamte Archiv der Gruselliteratur: Auf jedem Buchrücken gibt es einen anderen Namen zu erkennen. Neben offensichtlichen Personen wie Anne Rice und Bram Stoker, sind dort viele weitere Autor:innen der Literaturgeschichte und der Gegenwartsliteratur verewigt. Dass darunter auch Saša Stanišić und Salah Naoura sind, ist ein augenzwinkernder Verweis auf Katja Spitzers eigene Zusammenarbeiten.

Showdown im Schloss

Am Ende der Geschichte kommt es schließlich bei Vollmond zum großen Showdown im Schlossgarten, wobei nicht jedes Kaninchen das ist, für das es von Ringo gehalten wurde. Vampir- und Kaninchen-Freund:innen und alle, die es werden wollen, kommen bei dieser Geschichte voll auf ihre Kosten. Geschickt spielt Spitzer in ihrem Kinderroman mit den Bausteinen des Genres Vampirgeschichte, gibt dieser neue Wendungen und aktualisiert sie auf erfrischende Weise. Während Spitzer für andere Geschichten bereits Illustrationen angefertigt hat, ist dies die erste eigene Geschichte, die sie selbst geschrieben und dann auch noch illustriert hat. Ihr ist damit ein unterhaltsamer und mehrdeutiger Roman gelungen, der gerade im Zusammenspiel von Bild und Text eine eigene Dynamik entwickelt. Besonders schön ist auch die Aufmachung des Buches, das von Paulina Pysz sehr gekonnt im Layout gestaltet wurde.  

Literatur

Katja Spitzer: Ringo und die Vampirkaninchen. Hamburg: Mairisch 2022.

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