Das Triumvirat der deutschen Comicszene
Mit Das ist doch keine Kunst betiteln Ralph Ruthe, Joscha Sauer und Flix programmatisch ihre erste gemeinsame Ausstellung in der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen und nehmen augenzwinkernd ihren eigenen Status als comicschaffende Künstler aufs Korn. Dass Comics als vitaler Teil der Populärkultur längst ihrem Image der vermeintlich simplen Unterhaltung und der Ecke des Schmutz und Schunds entwachsen sind, ist nicht nur Nerds wie mir bekannt. Dennoch halten sich gewisse Vorbehalte hartnäckig, denen die Ausstellung entgegenwirkt und erstmals das umfassende Werk drei der erfolgreichsten deutschen Comiczeichner präsentiert. Die Ludwiggalerie Oberhausen hat sich schon länger diesen Facetten des Kunstbetriebs verschrieben und zeigte in den letzten Jahren ambitionierte Ausstellungen, die beispielsweise das Ouevre Walter Moers und Ralf Königs in den Blick nahmen. Das historische Schloss Oberhausen bietet dafür ein stimmungsvolles Setting, in dem nun bis zum 17.1.2016 Ruthe Sauer Flix zu sehen sind.
Von lustigen und lieben Künstlern
Am Samstagabend fand die Vernissage statt und der große Besucherandrang zeigte das enorme Interesse und die Beliebtheit der drei Zeichner. Mit einem unterhaltsamen Reigen an Begrüßungsworten begann die Eröffnung, so durften die „lieben und lustigen Zeichner“ Grußworte von Vertretern der Stadt und Sponsoren entgegen nehmen, bevor die Direktorin Christine Vogt von den Vorbereitungsprozessen berichtete und lebhaft das Konzept der Ausstellung vorstellte. Die Stimmung war angenehm locker und ausgelassen. Etwa wurde jede Erwähnung von Ralf König von den Künstlern mit Rufen und Applaus bedacht, so dass kurzzeitig der Gedanke nahelag, es müsste nun bald ein entsprechendes Trinkspiel erfunden werden. Besonders herzlich war auch der Moment, in dem alle Anwesenden Papa Günther ein Ständchen zum 70. Geburtstag sangen. Ohne dessen Kooperation hätte Sohn Flix nämlich garnicht zu seiner eigenen Vernissage erscheinen können. Nach einer kleinen Stärkung mit Wein konnte die Ausstellung dann schließlich selber erkundet werden.
Der Dreiklang der Zeichner korrespondiert dabei ideal mit den gegeben Räumlichkeiten: beim Betreten des ersten Raumes des Erdgeschosses blickt man direkt auf das gemeinsame Dreierportrait, mit dem die Ausstellung auch beworben wird. Dort verbinden sich die erzählerischen Fäden des Konzeptes, gezeigt werden Kernstücke aus dem Schaffen aller drei Zeichner und die damit verbundenen Parallelen, aber ebenso deren Differenzen. Denn Ruthe und Sauer sind vor allem für ihre Cartoons, die Einbildgags bekannt, während Flix umfangreichere Comics zeichnet.
Von dort ausgehend ist ist jedem der Künstler eine eigene Etage gewidmet, die aber nicht nur unvermittelt nebeneinanderstehen, sondern an den Übergangsbereichen immer auch die Verbindungen der Werke thematisieren: Joscha Sauer, Ralph Ruthe und Flix sind nicht nur gut befreundet, sondern beeinflussen und ergänzen sich auch in ihrem Schaffen, was so besonders deutlich wird. Ganz explizit schlägt sich dies sowohl in gemeinsamen Veröffentlichungen – wie dem Reporterhund Ferdinand – nieder als aber auch in subtilerem Ideenaustausch, wenn etwa Joscha Sauer eine Episode für Flix Serie Schöne Töchter scripted.
Die Aura des Originals
Neben der Frage nach den Wechselwirkungen untereinander steht aber auch die Frage nach ‘dem Original’ im Zentrum. Denn Comic und Cartoons sind nicht nur in ihrer Ausgangslage bereits auf massenweise Reproduktion angelegt und unterlaufen subversiv die Aura Benjamin’schen Originals, sondern der gezeichnete Strich der ersten Zeichnung durchläuft danach weitere umfangreiche Überarbeitungsprozesse. Von der händischen Koloration bis zur Überarbeitung am PC entsteht häufig ein gänzlich neues Endprodukt. Dieses Spannungsfeld kann die Ausstellung immer wieder zeigen, in dem verschiedene Varianten nebeneinander gehängt sind. Sichtbar werden dabei die deutlich divergierenden Bildgrößen, Farbästhetiken und Wirkungen die mit diesen Bildstrategien verbunden sind. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies beispielsweise bei Flix’ Illustrationen der Weihnachtsgeschichte: die Ausgangszeichnungen sind mit Bleistift angefertigt und weisen facettenreiche Schraffuren auf, in denen sich die düstere Atmosphäre der Erzählung voll entfaltet. Die farbige Weiterbearbeitung überschreibt diese zeichnerische Tiefe zu einem gewissen Grad und lässt völlig andere Bilder entstehen, die jedoch nicht weniger spannend sind.
Die Ausstellung verhandelt aber nicht nur solche Vergleiche der fertigen Bilder, sondern gibt auch Einblicke in Schaffens- und Entwicklungssprozesse der drei Zeichner – so ist etwa ein früher Ruthe Comic aus der ersten Klasse zu sehen. Außerdem ergänzen die präsentierten Skizzenbücher die Exponate um eine weitere Werkstattdimension. Hier wird ein ganz besonders gelungenes Musemskonzept realisiert und zeigt, wie moderne museale Ausstellung funktionieren kann: statt die Skizzenbücher allein im Glaskasten liegen zu lassen, wurden diese eingescannt und die Digitalisate auf Tablets installiert, an denen man sich durchklicken kann.
Dieser Ansatz korrespondiert ideal mit dem Werk der drei Künstler, denn intermediale Strategien, Kommunikation und Präsentationen nehmen einen großen Stellenwert darin ein: nichtlustig wäre ohne die Internetpublikationen nicht denkbar, Ruthe pflegt eine umfassende online Maschinerie, entwickelt neben den gezeichneten Cartoons auch animierte Videoclips und Musik, und auch Flix veröffentlicht seine autobiographischen Strips Heldentage regelmäßig auf seiner Homepage. Dass die Ausstellung diese Ebenen des Werks ebenfalls aufgreift und tatsächlich erfahrbar macht, ist ein großer Gewinn und weist daraufhin, welche Wege in Zukunft beschritten werden können.
Medienübergreifendes Erzählen markiert eine zentrale Entwicklungslinie, die auch den Kunst- und Literaturbetrieb umstrukturieren wird – wie damit umgegangen werden kann, zeigt die Ludwiggalerie Oberhausen in dem klugen Ausstellungskonzept sehr anschaulich. Dieses besticht nicht nur in der Qualität der Einzelstücke, sondern gerade im Zusammenspiel der Faktoren, die zu einem stimmigen Ganzen zusammengesetzt wurden. Begleitend dazu ist ein Katalog erschienen, der ausführlich das Werk der drei Zeichner aus einer dezidiert wissenschaftlichen Perspektive beleuchtet und ein bisher brachliegendes Forschungsfeld erschließt.
Der Besuch lohnt sich für alle überzeugten Nerds, aber auch Comicneulinge, die sich von der Vielfalt des Mediums überzeugen wollen. Dass es natürlich Kunst ist, ist eigentlich nicht die Frage, zeigt aber, dass dies in der öffentlichen Wahrnehmung des Comics noch nicht ganz angekommen ist – spätestens nach einem Abstecher in Oberhausen sollte jedoch jeder davon überzeugt worden sein.
Literatur
Christine Vogt (Hrsg.): Ruthe, Sauer, Flix – Das ist doch keine Kunst: Comics und Cartoons zwischen Shit happens!, Nichtlustig und Schönen Töchtern. Hamburg: Carlsen 2015.
Fotos: Anika Ullmann