Dita Zipfel und Finn-Ole Heinrich haben in den letzten Jahren gemeinsam (Trecker kommt mit) oder allein (Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte; Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt) sowohl im Hinblick auf die Form als auch auf den Inhalt interessante und ungewöhnliche Bücher für Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Mit viel Freude wird bei ihnen die Sprache geformt, variiert und die erzählerische Form ausgelotet. Eine wichtige Rolle spielen dabei oft auch Illustrationen und Hauptfiguren, die sich kaum in eine Norm pressen lassen. Nun haben sie mit Schlafen wie die Rüben nicht nur ein gemeinsames neues Werk vorgelegt, sondern gleichzeitig mit Huckepack ein eigenes Verlags Imprint gegründet. Huckepack ist innerhalb des Mairisch Verlags angesiedelt und soll in Zukunft den Raum für frische Ideen und Ansätze eröffnen – also etwas, wofür Zipfel und Heinrich bestens bekannt sind. Das Bilderbuch Schlafen wie die Rüben ist ein ausgezeichnetes Werk zur Eröffnung des Verlags, weil es deutlich die kommende Linie vorzeichnet.
Einschlafen mit den Rüben
Im gelungenen Zusammenspiel mit den Illustrationen von Tine Schulz entwickelt sich in dem Bilderbuch eine Geschichte, die sich dem allabendlichen Einschlafritual der Familie Rübe widmet: „Das große Zubettgehen der kleinen Leute“ (o.S.). Auf der Handlungsebene geschehen dabei allerlei lustige und skurrile Dinge, die natürlich das Einschlafen immer weiter herauszögern und die schnell erahnen lassen, dass die eingangs genannte „strenge Reihenfolge“ (o.S.) bewusst ad absurdum geführt und jeden Abend immer weiter gesteigert und variiert wird. Auf der sprachlichen Ebene setzt sich diese Zersetzung der Regeln in lustvollen Sprachspielereien und Reimen fort. Der Ton des Bilderbuches funktioniert am besten laut vorgelesen und zeigt auf großartige Weise, wie viel Möglichkeiten die Arbeit mit dem Sprachmaterial bietet. Dass dabei oftmals sehr lustiger Nonsense herauskommt, verdeutlicht, in welche literarischen Traditionen sich das Bilderbuch auch einordnet:
Mähne schütteln, Monster striegeln,Rübe zu. Dann knallgelb krähen. Träume schütteln, Kissen kitzeln, frisch geschlüpfte Witze auf den Vorhang kritzeln und mit müder Schnute Nacht für Nacht den Mond verbrauchen –
(o.S.)
Gezeichnete Rüben
Neben der poetischen Kraft der Worte überzeugt vor allem die Gestaltung des Zusammenspiels von Bild- und Schrifttext. Jede Seite ist individuell mit großformatigen Illustrationen, die unmittelbar bis an den Seitenrand reichen, aufgebaut. Der Erzählraum ist hier ein sehr wichtiges Darstellungsmittel, das sich mit den Ereignissen auf der Handlungsebene unauflöslich verbindet. Schulz findet immer wieder neue Lösungen, um die Schrift in das Bild zu integrieren, sei es als Sprechblasen oder gezeichnet auf einem Vorhang. Jede Seite lädt dazu ein, länger darauf zu verweilen und all die Details, die zudem in wunderschönen Farben gestaltet sind, zu entdecken. Dies steht ein wenig konträr zum Tempo des Textes und erzeugt eine interessante Spannung, denn immer rasanter steigern sich die Ereignisse vor dem Schlafengehen, bis schließlich die gesamte Familie Rübe im großen Bett erschöpft in den Schlaf sinkt: „Jetzt kann die Nacht uns Träume in die Köpfe gießen.“ (o.S.)
Schlafen wie die Rüben ist ein wunderbares Bilderbuch, das die Möglichkeiten der Buchgestaltung, aber auch der sprachlichen Variation gekonnt aufzeigt und darüber hinaus eine unterhaltsame Geschichte erzählt. Besonders schön ist dabei auch die subtil eingeflochtene Diversität auf der Bildebene, da es sowohl Schwarze als auch Weiße Familienmitglieder gibt. Familie Rübe wird so zur sympathisch-chaotischen Familie, die angenehm abseits von Bilderbuch-Idealen des familiären Zusammenseins liegt.
Literatur
Dita Zipfel, Finn-Ole Heinrich: Schlafen wie die Rüben. Illustrationen von Tine Schulz. Hamburg: Huckepack im Mairisch Verlag, 2021.